Gemeinsam mit anderen Nichtregierungsorganisationen hat die DGO einen öffentlichen Brief an die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag unterschrieben. Darin kritisieren wir die kleine Anfrage der Fraktion über die mögliche Parteilichkeit von 17 deutschen Nichtregierungsorganisationen und verweisen auf mögliche Folgen. Wir verweisen dabei auf unseren Erfahrungen aus der Arbeit zum östlichen Europa (Aserbaidschan, Belarus, Russland). Ein solcher Vorwurf hat dort vielfach restriktive Gesetze zur Regelung von zivilgesellschaftlicher Arbeit legitimiert. Wir stehen in Solidarität mit den von der Kleinen Anfrage betroffenen Organisationen.
Der Brief im Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Merz, sehr geehrter Herr Dobrindt,
am 21. Februar 2025 hat die CDU/CSU-Fraktion in einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung Auskunft über die mögliche Parteilichkeit von 17 deutschen Nichtregierungsorganisationen eingefordert und darüber, ob etwaige staatliche Zuwendungen für parteipolitische Tätigkeiten eingesetzt werden .
Die Anfrage hat nicht nur in der deutschen Öffentlichkeit für Unruhe gesorgt. Auch in der internationalen Zivilgesellschaft, die gerade durch den katastrophalen Förderstopp der US-Administration ins Mark getroffen wurde, wirft diese Einlassung Fragen über die Belastbarkeit der künftigen deutschen Regierungsparteien auf, wenn es um Demokratieförderung und den Schutz der unabhängigen Zivilgesellschaft geht. Auch die AfD hat in den vergangenen Jahren wiederholt Organisationen, die ihrem autoritären Politikverständnis entgegenstehen, mit vergleichbaren Anfragen auf der Landes- und Bundesebene ins Visier genommen.
Deutsche Organisationen, die sich für internationale Demokratieförderung und die Zusammenarbeit mit unabhängigen Zivilgesellschaften weltweit einsetzen – wie im übrigen natürlich auch die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung und die CSU-nahe Hanns-Seidel-Stiftung – wissen, wie durch so einen Generalangriff Misstrauen gegenüber zivilgesellschaftlichen Akteuren gestreut wird und die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen in Zweifel gezogen wird.
Aus unseren Arbeitserfahrungen aus Osteuropa (Aserbaidschan, Belarus, Russland) ist uns der Vorwurf gegen Nichtregierungsorganisationen, staatliche Finanzierung für politische Tätigkeiten zu nutzen, sehr gut bekannt. Er legitimiert restriktive Gesetze zur Regelung von zivilgesellschaftlicher Arbeit in der Region. In vielen Staaten hat der Erlass solcher Gesetze zur Zerstörung unabhängiger gesellschaftlicher Räume und zur Inhaftierung von Kritiker:innen der autoritären Regime und aktiven Vertreter:innen der lokalen Zivilgesellschaften geführt. Die verheerenden Folgen, die übergriffige staatliche Kontrolle gesellschaftlicher Tätigkeit haben kann, sehen wir heute auch in EU-Mitgliedsstaaten wie Ungarn oder der Slowakei. Es ist fatal, dass zukünftige deutsche Regierungsparteien derartige Verfahren heute in Deutschland anwenden und damit implizit das Vorgehen autoritärer Regime legitimieren. Europa schaut zu!
Wir stehen in Solidarität mit den von der Kleinen Anfrage betroffenen Organisationen. Die CDU/CSU-Fraktion sollte den Ruf Deutschlands als starker Partner der einheimischen und internationalen demokratischen Zivilgesellschaft – gerade nach dem Wegfall der US-amerikanischen Institutionen – nicht fahrlässig aufs Spiel setzen. Wir erwarten, dass sich die CDU/CSU-Fraktion an die bestehenden internationalen rechtlichen Standards und Konventionen hält und die Unterstützung für zivilgesellschaftliche Akteure fortsetzt.
Mit freundlichen Grüßen
Austausch e.V.
Boris Nemtsov Foundation for Freedom gGmbH
Civil Society Forum e. V. (Vorstand)
CISR e.V.
Comoon e.V. (Vorstand)
Coopera e.V. (Vorstand)
Dialogue for Understanding e. V.
Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde e.V.
Europäischer Austausch gGmbH
Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
jinn gGmbH
Libereco – Partnership for Human Rights e.V.
MEMORIAL Deutschland e.V. (Vorstand)
n-ost e.V.
OWEN e.V.
Science at Risk Emergency Office / Akademisches Netzwerk Osteuropa, akno e. V.