Neue Forschungen zu Osteuropa
Die seit 1996 stattfindenden JOE-Tagungen richten sich an fortgeschrittene Studierende, Promovierende und PostDocs, die ihre Forschungsprojekte aus unterschiedlichen Fachdisziplinen mit einem Schwerpunkt auf Osteuropa vorstellen. Die Projekte werden von arrivierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern kommentiert und von allen Teilnehmenden diskutiert. Das Begleitprogramm beinhaltet thematische und praxisorientierte Komponenten. Die Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde organisiert die JOE-Tagungen gemeinsam mit der Forschungsstelle Osteuropa mit unterschiedlichen Kooperationspartnern. 2018 waren der Wissenschaftscampus Eastern Europe – Global Area (EEGA) sowie das Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO, Leipzig) Mitveranstalter.
Veranstaltungsprogramm
Programm (PDF, 392 kB)
Veranstaltungsbericht
von Saskia Geisler, Hakob Matevosyan, Alina Strzempa
Die Tagung eröffnete Prof. Dr. Matthias MIDDELL, Leipzig, mit dem Vortrag „Osteuropa und die Neuverräumlichung der Welt – Überlegungen zu einer Forschungsagenda“. Middell erläuterte die Genese der in Leipzig ansässigen wissenschaftlichen Institutionen mit Osteuropa-Expertise. Dabei ging er auf die Konkurrenz zwischen Area Studies und Fachdisziplinen ein sowie auf die Institutionalisierung von Raumvorstellungen durch die räumlich fokussierten Forschungsagenden. Zudem stellte er Thesen zu räumlichen Bezügen in der Geschichte Osteuropas auf und brachte als Beispiel das Konzept von Osteuropa als Pufferzone zwischen Asien und den europäischen Mächten. In der Diskussion wurde die Übersättigung der Forschungslandschaft mit derartigen Theorien kritisch angesprochen.
Im Panel „Mediale Instrumentalisierungen politischer Diskurse“ widmete sich Magdalena KALTSEIS von der Universität Innsbruck der Darstellung der Ukrainekrise in russischen Fernsehsendern. Ihr Schwerpunkt lag auf dem Format der bisher weniger erforschten Talkshow. Diese wurde mit den Begriffen „Propaganda“, „emotionale Manipulation“ und „Informationskrieg“ in Verbindung gesetzt. Grzegorz SZYMANOWSKI von der Freien Universität Berlin setzte sich dagegen mit dem Vergleich von den Berichterstattungen der Ukrainekrise in den auflagenstarken polnischen und deutschen Zeitungen auseinander, wobei ihm das methodische Instrument des Framing zur qualitativen Darstellung verhalf. Acelya BAKIR von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf sprach über die Instrumentalisierung der Moskauer Schauprozesse in den Jahren 1936–1938, die nach dem Schema Sehen – Hören – Erleben inszeniert und mit Hilfe der zentralen Figur eines innergesellschaftlichen Feindes operationalisiert wurden. PD Dr. Kirsten BÖNKER von der Universität Bielefeld forderte in ihrem Kommentar u. a. die klarere Abgrenzung der Thesen. Das Publikum hinterfragte die vermeintliche Streitsüchtigkeit der russischen Gesellschaft, thematisierte die Kontextualisierung der Feindbilder Russlands in den Ländern Polen und Deutschland und fragte nach der Kontinuität der Inszenierungstraditionen der Gerichtsprozesse in der Sowjetunion und in Russland.
Im Panel „Nationalitätenfrage zwischen Statistik, Repression und Erinnerungskultur“ zeigte Philipp Johannes KRÖGER von der Universität Augsburg auf, wie anhand von Statistiken Realitäten erzeugt wurden, die die preußische Politik im „Deutschen Osten“ in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts maßgeblich beeinflussten. Marie SCHWARZ von der Humboldt-Universität zu Berlin stellte ihre Masterarbeit über den erinnerungskulturellen Umgang mit der Vertreibung der Sudetendeutschen in Tschechien vor. Schwarz griff dabei unter anderem auf theoretische Konzepte von Aleida Assmann zurück. Der Kommentator Prof. Dr. Thomas WÜNSCH von der Universität Passau wies einerseits auf die Notwendigkeit großer sprachlicher Sensibilität im Hinblick auf den Umgang mit nationalistisch gefärbten Quellen, sowie auf eine stärkere ideologische Hinterfragung der Entstehung von statistischen Quellen hin und ermutigte für den zweiten Vortrag zu einem methodischen Ansatz, der stärker als das Assman‘sche Modell auf erinnerungskulturelle Dynamiken eingeht. In der Diskussion wurden vor allem die sprachlichen Schwierigkeiten, die Rolle der Akteure und die Notwendigkeit einer stärkeren Differenzierung zwischen unterschiedlichen Quellen (z.B. Karte/Statistik/Text oder Film/Comic/Roman) thematisiert.
Am ersten Tagungsabend fand eine öffentliche Kinovorführung des Films „Kolyma – Straße der Knochen“ (D, 2017) mit anschließendem Publikumsgespräch mit dem Regisseur Stanisław MUCHA in der Cinémathèque Leipzig e. V. statt. Die Veranstaltung wurde durch das Grenzgänger-Programm der Robert Bosch-Stiftung sowie das Polnische Institut Berlin – Filiale Leipzig gefördert. Rainer MENDE vom Polnischen Institut moderierte die Diskussion. Der Dokumentarfilm setzt sich mit dem Umgang der Kolyma-Region mit dem eigenen Erbe des Gulag auseinander und portraitiert einzelne in der Region lebende Menschen. In der anschließenden Diskussion wurden Hintergründe zur Entstehung des Films erfragt. Kontrovers diskutiert wurde die Rolle und Darstellung von Frauen in dem Film.
Im Panel „Kultur und Erinnerungspolitik in musealer Praxis“ referierte Josephin HELLER von der Universität Leipzig über die musealen Praktiken in der sowjetischen Besatzungszone Leipzig. Sie unterschied zwischen der Mikroebene der zu behandelnden Stadt und der Makroebene Sowjetunion sowie zwischen drei unterschiedlichen Phasen der darstellenden Künste zwischen 1945 und 1955. Tobias HABERKORN von der Justus-Liebig-Universität Gießen stellte die Ergebnisse seiner Archivforschung zum Landeskundemuseum Voronež vor. In seiner Promotion konzentriert sich Haberkorn auf die Praxis der Geschichtsschreibung in der musealen Landeskunde. Ramona BECHAUF von der Universität Paderborn untersucht die Holocaust-Erinnerung in europäischen Museen in Paris, Berlin und Warschau) und analysiert, ob diese einem „kosmopolitischen Gedächtnis“ gerecht werden. Prof. Dr. Jutta SCHERRER von der Ecole des hautes études en sciences sociales (EHSS) konzentrierte sich in ihrem Kommentar auf einzelne Aspekte der jeweiligen Forschung.
Im Panel „Russische Außenpolitik im Spiegel der Theorien“ befasste sich Alexander GRAEF von der Universität St. Gallen, Schweiz mit der außenpolitischen Expertise in Russland. Er nutzte Pierre Bourdieus Ansatz des sozialen Feldes und analysierte die gesellschaftspolitische Rolle der Experten in ihren sozialen Positionen auf dem Gebiet der Waffenkontrollkompetenz in Russland. Sebastian HOPPE von der Universität Leipzig analysierte die Strategien der russischen Außenpolitik zwischen 1998 und 2008. Er untersuchte dabei v. a. die sozialen Beziehungen in politisch-ökonomischen Kontexten und den prozessualen Charakter der Außenpolitik. Roman LABUNSKI von der Friedrich-Schiller-Universität Jena analysierte den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine als „Clash of Civilizations“ und beleuchtete mittels Diskursanalyse die geopolitischen Aspekte des Wissenstransfers. Prof. Dr. Andreas HEINEMANN-GRÜDER vom BICC Bonn konzentrierte sich auf die theoretischen Aspekte der drei Arbeiten auf Makro- und Mikroebene. Insbesondere hinterfragte er die zeitliche Dimension und Stabilität der Positionen sowohl der Akteure in den Umsetzungsprozessen als auch derjenigen, die die Diskurse in Bezug auf die Mikro-Makro-Dynamik der Außenpolitik prägen.
Im Panel „Gruppenspezifische Identitäten“ stellte Daniel Benedikt STIENEN von der Humboldt-Universität zu Berlin sein Dissertationsprojekt über deutsche und polnische Grundstücksmakler im östlichen Preußen von 1900 bis 1914 vor. Sein Ziel ist es, anhand der Dynamiken des Bodenbesitzes und der Gesetzgebung mit dem Konzept der „moral economy“ (E.P. Thompson) einen innovativen Blick auf die Ostpolitik des Deutschen Kaiserreiches zu werfen. Marij DUHRA von der Universität Wrocław stellte ihr Dissertationsprojekt über jugendliche Fußballspielerinnen in Deutschland und Polen zur Diskussion. Sie wendet Ansätze aus der Anerkennungsforschung auf junge polnische und deutsche Fußballspielerinnen an, um anhand von qualitativen Einzelinterviews sowie Fotointerviews deren Strategien im Kampf um Anerkennung nachzuzeichnen. Dr. Beáta HOCK vom GWZO Leipzig betonte in ihrem Kommentar die stärkere Beleuchtung der Akteure sowie die besondere Bedeutung einer klaren, zugleich jedoch offenen Fragestellung im Umgang mit selbst generiertem Forschungsmaterial.
Im Panel „Demokratische Prozesse im Spannungsfeld von Repression und Ungleichheit“ stellte Benedikt Philipp KLEER von der Justus-Liebig-Universität Gießen das theoretische Modell seiner Doktorarbeit über die soziale Polarisierung als Störfaktor demokratischer Konsolidierung vor. Er beobachtet eine starke Verbindung zwischen der verstärkten Unterstützung antiliberaler Parteien in den Gesellschaften Ostmitteleuropas nach 1990, insbesondere in Polen und Ungarn, und der Unzufriedenheit mit der sozioökonomischen Situation und der liberalen Demokratie. Clara MODER von der Universität Wien beschäftigt sich mit der Rolle und den veränderten Wahrnehmungen der Zivilgesellschaft bei der Transformation der Demokratie in Polen seit den 1980er Jahren. Michaela MAHLER von der Universität Augsburg untersucht in ihrem Dissertationsprojekt politische und gesellschaftliche Proteste in Bulgarien anhand der Diskursanalyse. Prof. Dr. Dieter SEGERT von der Universität Wien stellte in seinem Kommentar fest, dass alle drei Arbeiten stark westlich geprägt sind, weshalb theoretische Prämissen kritisch überdacht werden sollten.
Im Panel „Sprache im Dienst der Politik“ analysierte Simon BEHNISCH von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg die Etablierung der Rechtsordnung im preußischen Gebiet des geteilten Polens. Behnischs Schwerpunkt liegt auf der Aushandlung des Rechts in und durch die Sprache unter besonderer Berücksichtigung der in den Gesetzen, Reden oder Zeitungsartikeln sprachlich angelegten aktiven bzw. passiven Teilhabe der Bevölkerung. Vitalij FASTOVSKIJ von der Ludwig-Maximilians-Universität München stellte seine bereits im Druck befindliche Doktorarbeit vor, die den von religiösen Semantiken untermauerten Terror als kommunikatives Mittel im späten russischen Zarenreich beleuchtet. Die Germanistin Olena BYELOZYOROVA von der Nationalen Karasin-Universität Charkiv (Ukraine) befasste sich mit den sprachlichen ‚Umgehungsstrategien‘, um politische Tabus im heutigen öffentlichen Diskurs der Ukraine zu bewältigen. Der Kommentar der Sprachwissenschaftlerin Dr. Marina SCHARLAJ von der TU Dresden lieferte Impulse zur schärferen methodischen Abgrenzung der sprachlichen Ebene in allen drei angesprochenen Diskursen.
Im Panel „De-Stalinisierung ‚von unten‘“ ging Mateusz SOKULSKI von der Schlesischen Universität Katowice (Polen) auf Handlungsspielräume im Alltagsleben im Jugoslawien der Jahre 1953 bis 1965 ein. Als Zwischenergebnis seiner Forschung stellte er fest, dass die ethnische Gruppe der Albaner am meisten von Repressionen betroffen war. Prof. Dr. Nadieszda KIZENKO von der University at Albany stellte den aktuellen Umgang von vier St. Petersburger Kirchen mit ihrer Umfunktionierung in der Zeit des Stalinismus vor. Dabei vertrat sie die These, dass die Rückwidmung als Kirche umso leichter falle, je weiter die Entfremdung von deren ursprünglichen Funktion in der Ära der Sowjetunion gewesen sei. Prof. Dr. Thomas BREMER von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster wies in seinem Kommentar auf einen stärkeren Differenzierungsbedarf in der Betrachtung der vielen Ethnien Jugoslawiens sowie beispielsweise religiöser Zugehörigkeiten hin. In Bezug auf die aktuelle Situation orthodoxer Kirchen in Petersburg regte er an, die Strategie derjenigen Kirchen, die nicht umfunktioniert oder zerstört wurden, ebenso zu erforschen.
In einem eigenen Panel stellten sich gastgebenden Institutionen EEGA und GWZO ausführlich vor. Der Wissenschaftsstandort Leipzig als möglicher Arbeitsplatz wurde klarer umrissen. Von besonderem Interesse waren dabei die vom EEGA ausgeschriebenen und von Melanie MIENERT und Lena DALLYWATER vorgestellten PostDoc-Stipendien, während im Bereich des GWZO besonders die von Dr. Adamantios SKORODOS vorgestellte (digitale) Bibliothek das Interesse weckte. Im anschließenden Workshop zum Thema „How do I write a successful DFG application?” stellte die Anthropologin Prof. Dr. Ursula RAO von der Universität Leipzig Strategien für das erfolgreiche Schreiben von Projektanträgen in der PostDoc-Phase vor. Ihre Präsentation beinhaltete viele praktische Hinweise aus der eigenen Erfahrung mit Antragstellungen und Antragsbewertungen.
Das Panel „Spatial Order(ing) of Cities in Socialism (1960s-1970s)” war von den Vortragenden selbst konzipiert und gemeinsam eingereicht worden. Ziel war es, die verschiedenen „spatial orders“ innerhalb des sozialistischen Regimes auf der Grundlage von drei Fallstudien aus Polen und Jugoslawien widerzuspiegeln. Lea HORVAT von der Universität Hamburg untersuchte anhand der Dokumente des Kroatischen Staatsarchivs das Bauprojekt „Split 3“ als Massensiedlung und seine Transformation von den 1950er Jahren in die 1960er Jahre. Aleksandra LUCZAK von der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) stellte ihre Arbeit „Warschauer Zentrum-West 1975: Vision einer sozialistischen Erlebnisgesellschaft?“ vor. Ziel ihres Projekts ist es, mittels Diskursanalyse die politisch-ökonomisch und architektonisch-historisch motivierten Hintergründe der polnischen Bautradition kritisch zu durchleuchten. Ivana Mihaela ŽIMBREK von der Central European University Budapest stellte einen Teil ihrer Masterarbeit „Spaces of Consumption in Socialist Yugoslavia in the 1950s and 1960s” vor. Am Beispiel eines Kaufhauses in Trnsko (Zagreb) analysierte sie die physischen und symbolischen Dimensionen von Konsumräumen bei der Modernisierung der städtischen Umwelt und des Alltags in den ersten Jahrzehnten des sozialistischen Jugoslawiens. Dr. Steffi MARUNG von CAS/GESI Leipzig lieferte eine kritische Analyse des Konzepts „Spatial Orders“, basierend auf ihren Forschungen zum Kalten Krieg, die sich auf „Spatial Formats“ und „Spatial Imaginations“ im globalen Maßstab konzentrierten. Sie stellte fest, dass alle Projekte sich auf bestimmte Aspekte der sozialen Ordnung in der Stadtplanung im Sozialismus beziehen, diese jedoch das Potenzial hätten, auch globalgeschichtliche Momente zu untersuchen.
Im Panel „Politische Steuerungsversuche soziale Diversität“ analysierte Julia GLATHE von der Freien Universität Berlin die migrationspolitischen Ziele und Strategien Russlands im Diskurs zur „Migrationskrise“ in Europa. Sie konzentrierte sich auf die Beziehung zwischen Ökonomisierung und Verbriefung logischer und humanitärer Prinzipien bei der Steuerung der Migration innerhalb eines autoritären politischen Regimes und diskutierte diese im Kontext des umfassenderen sozialen Transformationsprozesses in der postsowjetischen Periode. Melanie FRANK stellte in ihrem Vortrag „Sprachpolitische Konflikte in Lettland aus den Perspektiven der System- und Sozialintegration“ vor. Ihr Schwerpunkt lag dabei auf der Umsetzung der nationalen Sprachpolitik in Riga, die in der Politik kontrovers debattiert wird. Frank stützt sich auf den Systemintegrationsansatz und analysiert den Einfluss der sozialen Institutionen auf das Verhalten der Akteure sowie umgekehrt die Einflüsse der Akteure auf die Institutionen. Dr. Karin WIEST vom Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL) Leipzig stellte in ihrem Kommentar fest, dass sich die Beiträge auf die Identitätsprobleme und insbesondere die Rolle der Migration beim Aufbau von Identitäten in internationalen Kontexten bezogen. Sie schlug jedoch vor, den konzeptionellen Rahmenbedingungen, z. B. den jeweiligen „Regimen“, mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Im Panel „Literatur als Gesellschaftskonstruktion“ referierte Eliane FITZÉ von der Universität Freiburg (Schweiz) anhand von Leonid Leonovs Roman Barsuki (1924) über das national-konservative Potenzial der bäuerlichen Schichten in der jungen Sowjetunion, die ihrerseits die transnationale Gestalt der Arbeiterklasse als Gesellschaftskonstrukt umzusetzen suchte. Stefan SCHMIDT, ebenso von der Universität Freiburg, sprach über polnische Sibirien- und Fernosttexte der ethnographischen Feldforschung um 1900 unter Berücksichtigung der textuellen Erscheinung. Dabei stellte Schmidt die These auf, dass die ethnographische Feldforschung einen Deckmantel für die innereuropäische Interaktion der polnischen Schriftsteller und Essayisten darstellte. Tobiasz JANIKOWSKI von der Pädagogischen Universität Krakau (Polen) beschäftigte sich mit dem Identitätskonflikt, in dem sich das sog., zwischen dem Deutschtum und Polentum ‚schwebende Volkstum‘ in Oberschlesien in der Zwischenkriegszeit befand. Ausgelöst durch den Kommentar von Prof. Anna ARTWIŃSKA von der Universität Leipzig, dass Rudolf Fitzeks Drama Volk an der Grenze (1933) als künstlerisch ‚zweitrangig‘ und darüber hinaus ‚präfaschistisch‘ gilt, drehte sich die anschließende Diskussion um die Frage, ob auch faschistisch unterwanderte Texte als Forschungsobjekt des cultural criticism gelten können.
In einem thematisch offenen Panel stellte Oliver WIEBE von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg seine Masterarbeit zum Thema „Geschichte im Stadion: Choreografien polnischer Fußballfans zwischen Subkultur und Mainstream“ vor. Anhand von Bildern aus Fanzines und mit der Methode der Bildanalyse nach Wohlfeil konnte er nachweisen, dass die Choreografien der Fans immer häufiger historische Themen aufgreifen und seit dem Wahlsieg der rechtskonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit zudem konform mit der staatlichen Geschichtspolitik Polens gehen, wobei die Fußballfans teilweise sogar Impulsgeber des Diskurses sind. In ihrem Kommentar bemerkte Prof. Dr. Kerstin S. JOBST von der Universität Wien, dass eine stärkere Herausarbeitung des Kontextes der polnischen Fußballvereine sinnvoll für eine stärkere Differenzierung wäre. Elena ANTOHI von der Universität Flensburg berichtete, ebenfalls aus ihrer Masterarbeit, über die Beziehung zwischen dem staatlichen Zentrum und der autonomen Region Gagausien in der Republik Moldau. Zu den größten Problemen zählte sie das rechtliche Rahmenwerk, das einen zu hohen Spielraum für Interpretationen in Bezug auf Zuständigkeiten zulasse. Mit Blick auf den Vortrag zur Republik Gagausien wies Prof. Jobst v. a. auf die stark auf das Negative ausgerichtete Perspektive hin, während ein Ansatz, der auch nach positiven Aspekten, wie der Befriedung der Region schaut, möglicherweise noch weitere Governance-Elemente aufzeigen könnte.
Traditionellerweise wurde die Tagung mit einer Abschlussrunde beendet, in der die OrganisatorInnen und Teilnehmenden ihre Eindrücke von der Tagung sowie Verbesserungsvorschläge besprechen konnten.
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