Revolution in Belarus

Jenseits der Östlichen Partnerschaft: Belarus und die Europäische Union

Beyond the Eastern Partnership: Belarus and the European Union

Five days after the presidential elections in Belarus, the European Union announced that it would not recognize the official election result and adopted sanctions against high-ranking representatives of the government. Within the EU member states, opinions differ as to whether these measures are sufficient. Parts of the European Parliament are also calling for stronger reactions. In contrast, the spokespersons for the protests in Belarus fear that due to the EU's punitive measures they will be further stigmatized as the mouthpiece of the West. What options does the EU have in the current crisis? And who are its most relevant contact persons and addressees of its politics?

Fünf Tage nach den Präsidentschaftswahlen in Belarus verkündete die Europäische Union, das offizielle Wahlergebnis nicht anzuerkennen und beschloss Sanktionen gegen hochrangige Vertreter*innen der Regierung. Innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten gehen die Meinungen darüber auseinander, ob diese Maßnahmen ausreichen. Auch Teile des Europäischen Parlaments fordern schärfere Reaktionen. Demgegenüber befürchten die Wortführer*innen der Proteste in Belarus, durch die Strafmaßnahmen der EU noch stärker als Sprachrohr des Westens stigmatisiert zu werden. Welche Optionen hat die EU in der augenblicklichen Krise? Und wer sind die wichtigsten Ansprechpersonen und Adressat*innen ihrer Politik?

Discussants / Es diskutieren (in englischer Sprache):
Sabine FISCHER, Teamleader, Public Diplomacy. EU and Russia, Moscow
Dzianis MELYANTSOU, Minsk Dialogue, Minsk
Dirk SCHUEBEL, Ambassador of the European Union to the Republic of Belarus, Minsk

Moderation:
Gabriele FREITAG, Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde, Berlin

The panel discussion is part of the series Revolution in Belarus / Die Podiumsdiskussion findet statt im Rahmen der Veranstaltungsreihe Revolution in Belarus (für weitere Details s. unten)

Veranstaltungsprogramm

revolution_in… (PDF, 449 kB)


Veranstaltungsbericht

Bericht: Henri Koblischke

Fünf Tage nach den Präsidentschaftswahlen in Belarus verkündete die Europäische Union, das offizielle Wahlergebnis nicht anzuerkennen und beschloss Sanktionen gegen hochrangige Vertreter der Regierung. Innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten gingen die Meinungen darüber auseinander, ob diese Maßnahmen ausreichen. Auch Teile des Europäischen Parlaments forderten schärfere Reaktionen. Demgegenüber befürchten die WortführerInnen der Proteste in Belarus, durch die Strafmaßnahmen der EU noch stärker als Sprachrohr des Westens stigmatisiert zu werden. Welche Optionen hat die EU in der augenblicklichen Krise? Und wer sind die wichtigsten Ansprechpersonen und Adressat*innen ihrer Politik?

Dirk SCHUEBEL, Botschafter der Europäischen Union in Minsk, erinnerte eingangs daran, dass die EU bereit vor den Präsidentschaftswahlen aktiv geworden sei. So habe man offiziell gefordert, dass diese frei und fair sein müssten. Er sprach nach den Wahlen von einer „schnellen Reaktion“ der EU. Trotz unterschiedlicher Interessen in anderen Politikfeldern hätten sich die Mitgliedsstaaten angesichts des Ausmaßes der Wahlfälschungen und Repressionen in wenigen Tagen auf eine gemeinsame Linie geeinigt. 

Sabine FISCHER, Teamleiterin des Projekts „Public Diplomacy. EU and Russia“ in Moskau teilte diese Einschätzung grundsätzlich. Allerdings, gebe es nach wie vor unterschiedliche Interessengruppen innerhalb der EU. Einige Mitglieder wollten härtere Maßnahmen, wohingegen andere, wie Deutschland, eine zurückhaltendere Position einnähmen. Zumindest die Bundesregierung sei aber nun auch durch den Mordanschlag auf Alexej Nawalny unter Druck geraten. Dies gelte es für weitere EU-Maßnahmen gegenüber dem Regime von Lukaschenka schnell zu nutzen, da sich die Möglichkeiten, ie Geschehnisse in Belarus zu beeinflussen, schnell ändern könnten.

Dzianis MELYANTSOU vom Think-Tank Minsk Dialogue betonte, dass die EU ihre Ziele und Interessen klar definieren müsse. Nur wenn dies gegeben sei, könne sie eine kohärente Belaruspolitik mit effektiven Instrumenten entwickeln. Das bisherige EU-Sanktionsregime jedenfalls, das sich auf Individuen konzentriert, sei nicht geeignet, das Regime zu beeinflussen, dies könnten nur Wirtschaftssanktionen. Darüber hinaus schätzte er die Chancen für einen Regimewechsel als gering ein, denn einerseits habe es keinen wirkungsvollen Generalstreik gegeben und andererseits unterstütze mittlerweile Russland Lukaschenka aktiv. Nachdem das Regime in den ersten Wochen nach der Wahl geschwächt gewesen sei, habe es mittlerweile seine Macht konsolidiert. Paradoxerweise schwäche genau diese Situation den Einfluss Russlands auf Lukaschenka, der nun aus einer Position der relativen Stärke agiere.

Vor diesem Hintergrund mahnte Melyantsou, den Einfluss Russlands auf Lukaschenka nicht zu überschätzen. Dirk Schuebel widersprach und sah in Russlands Unterstützung für Lukaschenka „den entscheidenden externen Faktor“, der das Regime an der Macht halte und von Putins Wohlwollen abhängig mache. Sabine Fischer erläuterte die Ziele der russischen Regierung: Belarus solle ein pro-russischer und nicht-demokratischer Staat sein. Lukaschenka an der Macht zu halten, entspreche diesem Ziel, aber die Unterstützung Russlands sei „nicht bedingungslos“ und zudem abhängig von der politischen Entwicklung in Belarus. Wenn es den russischen Interessen entspräche, könnte perspektivisch auch ein anderer Akteur als Lukaschenka Unterstützung erhalten.

Der Machtkampf zwischen dem Regime Lukaschenkas einerseits und den Demonstrierenden andererseits ist noch nicht abschließend entschieden. Die Einschätzungen, welche Faktoren für den Ausgang entscheidend sind, gingen aber auseinander. Die Frage, wie stark der Einfluss der EU in Belarus ist oder sein könnte und mit welchen Mitteln er geltend gemacht werden könnte, blieb ungeklärt und ein wichtiger Aspekt für eine zukünftige Diskussionsrunde.

Datum:
10.09.2020, 18:00 Uhr bis 19:00 Uhr

Hinweis:
Die Veranstaltung findet online statt.

Sprache(n):
Englisch

Programm:

revolution_in… (PDF, 449 kB)

Veranstalterin:
Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde