World Economy and Comparative Development in Eastern Europe
Wirtschaftstransformation und politische Reformen in Russland, Osteuropa und Eurasien haben vor mehr als zwanzig Jahren begonnen, sind aber in vielerlei Hinsicht noch nicht abgeschlossen. Gleichzeitig nimmt die Verflechtung mit der Weltwirtschaft trotz Sanktionen und zwischenstaatlichen Konflikten zu. Diese Integration fördert die Wirtschaftsentwicklung durch zunehmenden Handel, steigende Investitionen und institutionelle Entwicklung. Gleichzeitig macht sie die Region anfällig für negative Auswirkungen globaler Finanzschocks und internationaler Krisen.
Unterschiedliche Entwicklungswege in Russland, Osteuropa und Eurasien hängen sehr stark sowohl mit historischen Ereignissen und dem Kulturerbe der jeweiligen Staaten, als auch mit deren Institutionen, Klima und geografischer Lage zusammen. Ziel der DGO-Fachtagung Wirtschaft ist es, die Wirtschaftsforschung über diese Region durch die stärkere Gewichtung von zwei weiteren Dimensionen zu erweitern: erstens, Herausforderungen der Konvergenz zwischen Osteuropa einerseits und Westeuropa und den USA andererseits; und zweitens, nichtwirtschaftliche Bestimmungsfaktoren der langfristigen Entwicklungsunterschiede zwischen den Ländern Osteuropas.
Die Tagung wird von der Abteilung Wirtschaft am Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin ausgerichtet. Die wissenschaftliche Leitung hat Professor Theocharis Grigoriadis, C.Sc. Ph.D.
Tagungsgebühr
20 Euro
Die Gebühr ist nach der Anmeldung zu entrichten. Die Kontoverbindung teilen wir Ihnen nach Eingang der Anmeldung mit.
Registrierung und Kontakt
Anmeldefrist: 30. September
Maria Polugodina (Wissenschaftliche Mitarbeiterin)
Tel.: +49 30 838 72979
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Veranstaltungsprogramm
Programm (PDF, 101 kB)
Veranstaltungsbericht
Wirtschaftstransformation und politische Reformen in Russland, Osteuropa und Eurasien haben vor mehr als zwanzig Jahren begonnen, sind aber in vielerlei Hinsicht noch nicht abgeschlossen. Unterschiedliche Entwicklungswege in diesen Regionen hängen sehr stark sowohl mit historischen Ereignissen und dem Kulturerbe der jeweiligen Staaten, als auch mit deren Institutionen, Klima und geografischer Lage zusammen. Welchen Einfluss haben diese Faktoren auf die Wirtschaft und Politik? Forscher aus Deutschland, Polen, Georgien, Irland und den USA verglichen die Entwicklung in den osteuropäischen Ländern sowohl untereinander als auch mit den Ländern der Europäischen Union und den USA.
Linde GÖTZ (Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien) erläuterte in ihrem Vortrag zum Thema „How Well is the Russian Wheat Market Functioning? A Comparison with the Corn Market in the USA” die wichtigsten Eigenschaften eines der bedeutendsten Sektoren der russischen Wirtschaft (z. B. die geographische Verteilung der Produktion, die interregionale Preisübermittlung sowie die Rolle der Exporte und Importe) und verglich sie mit dem gut entwickelten Getreidemarkt der USA. Sie arbeitete die Effizienzunterschiede heraus und zeigte deren Gründe sowie mögliche Verbesserungsstrategien für Russland auf.
Richard FRENSCH (Institut für Ost- und Südosteuropastudien Regensburg) ging in seinem Vortrag „Rivers and Trade“ auf die Rolle der Flüsse im europäischen Handel ein. Flüsse seien einerseits natürliche Hindernisse für Handelsströmen, zugleich verbinden sie als Wasserstraßen aber auch Länder, die keine gemeinsame Grenze haben. Im ersten Fall erschweren Flüsse den Handel, im zweiten fördern sie ihn. Mit einem erweiterten Datensatz für Handelsströme in 37 europäischen Ländern testete Frensch, wie groß die beiden Effekte sind und welcher Effekt überwiegt. Er fand heraus, dass, obwohl die beiden Effekte für sich genommen jeweils sehr stark sind, Flüsse den europäischen Handel im Durchschnitt nur sehr gering beeinflussen.
Miriam FREY (Institut für Ost- und Südosteuropastudien Regensburg) untersuchte die Rolle der Vertragsdurchsetzung im russischen Außenhandel. Der Einfluss der Vertragsdurchsetzung auf den internationalen Handel ist in der empirischen Forschung bisher kaum untersucht worden. Frey entwickelte Methoden, die für solch eine Untersuchung genutzt werden können. Igor BAGAYEV (University College Dublin) stellte seine Forschungsergebnisse zu den Auswirkungen der energieintensiven Exporte der Sowjetunion auf deren wirtschaftliches Wachstum vor.
Olga POPOVA (Institut für Ost- und Südosteuropastudien Regensburg) beschäftigte sich in ihrem Vortrag zum Thema „Psychological Costs of Currency Transition: Evidence from Euro Adoption“ mit den Folgen des Wirtschaftswandels. Obwohl psychologische Kosten wirtschaftspolitischer Maßnahmen oft irrational sind, beeinflussen sie die Stimmung der Bevölkerung und sind deshalb auch politisch relevant. Popova zeigte, dass die Einführung des Euros in der Slowakei negative Reaktionen in der gesamten Bevölkerung hervorgerufen hat, besonders aber in den einkommensschwachen Gruppen. Diese Erkenntnis sei insbesondere für politische Entscheidungsträger anderer EU-Mitgliedsländer, in denen die Einführung des Euros zur Debatte steht (z. B. in Polen und in der Tschechischen Republik), entscheidend.
In weiteren Vorträgen zu den Auswirkungen des wirtschaftlichen und institutionellen Wandels diskutierten die Referenten die Risikoteilung zwischen den Regionen Russlands (Jarko FIDRMUC, Zeppelin Universität Friedrichshafen), die Arbeitsmigration innerhalb und zwischen den Wirtschaftssektoren Polens (Stanisław CICHOCKI, Universität Warschau) und die politischen Maßnahmen zur Entwicklung des Agrarsektors in Georgien (Phatima MAMARDASHVILI, Universität Tiflis).
Der Verschuldungsentwicklung in Zentral- und Osteuropa in den letzten zwei Jahrzehnten widmete sich Bettina BÖKEMEIER (Universität Bielefeld) in ihrem Vortrag „Debt Sustainability Issues in the Central and Eastern European Countries“. Insbesondere nach der Krise von 2008/09 ist die Nachhaltigkeit von Staatsschulden eine wichtige wirtschaftspolitische Frage. Das Ergebnis der Studie ist positiv: Von zehn analysierten Ländern gibt es nur in Rumänien und Bulgarien Anzeichen für wirtschaftspolitische Instabilität.
Justyna SCHULZ (Universität Bremen) erörterte in ihrem Vortrag mögliche Gründe für die finanzielle Abhängigkeit Osteuropas von entwickelten Ländern. Um aus dieser Abhängigkeit herauszukommen, müssten die osteuropäischen Länder ihre Finanzpolitik stärken. Dorota SKALA (Universität Stettin) untersuchte, wie die Aktionärsstruktur der Banken in zehn osteuropäischen Ländern deren Einstellung zu Risiko und staatlicher Regulierung beeinflussen. Sie zeigte, dass staatliche Banken mehr Risiko eingehen und auch auf staatliche Regulierung mit Risikoerhöhung reagieren, anders als Banken mit ausländischen Aktionären. Den Zusammenhängen zwischen finanziellen Interessen von Großunternehmern und deren Unterstützung für politische Regime ging Inna MELNYKOVSKA (Universität Harvard) auf den Grund. Christa HAINZ (ifo Zentrum für Internationalen Institutionenvergleich und Migrationsforschung München) untersuchte die Rolle von Eigentumsrechten bei der Bestimmung von Zinsen und Sicherheiten für Kreditnehmer. Sie zeigte, dass die Eigentumsrechte nur die Zinsen von besicherten Krediten beeinflussen und Kreditnehmer nur dann von besseren Eigentumsrechten profitieren können, wenn der Banksektor wettbewerblich organisiert ist.
Veränderungen in der Wirtschaft haben auch Einfluss auf die Politik. Dies zeigte Dragos RADU (Institut für Ost- und Südosteuropastudien Regensburg) am Beispiel der Migration. Die Wirtschaftsfaktoren, die durch Migration beeinflusst werden und politische Auswirkungen haben, seien Wirtschaftswachstum und Einkommensverteilung. Dies gelte für Regime, in denen sowohl der Wahlprozess wettbewerblich organisiert ist als auch bürgerliche Normen aufgebaut sind. Die Migration habe dann vor allem durch Methoden der politischen Ökonomie Einfluss auf die Wahlergebnisse, nicht durch veränderte soziale Normen.
Alexander LIBMAN (Stiftung Wissenschaft und Politik, Berlin) verglich in seinem Vortrag am Beispiel von Regionen Russlands, wie effizient verschiedene politische Regime in unterschiedlichen Phasen ihrer wirtschaftlichen Entwicklung Gesundheitsleistungen erbringen können. Mit Verweis auf die vier Phasen des epidemiologischen Übergangs zeigte er, dass demokratische Regime mit den Krankheiten der dritten Phase (z. B. Herz- und Kreislauferkrankungen oder Krebs) besser umgehen können als autokratische. Mit Infektionskrankheiten, die zu den Krankheiten der zweiten Phase gehören, würden Autokratien dagegen gut zurechtkommen, besonders im Vergleich zu schwachen Demokratien. Theocharis GRIGORIADIS (Freie Universität Berlin) analysierte spieltheoretisch, wie ein zentralisiertes Finanzsystem einen Staat anfällig für soziale Konflikte machen kann. In Agrargesellschaften, wie dem Russischen Reich, reduzierten Reformen und Industrialisierung die Wahrscheinlichkeit eines Konflikts. Allerdings schaffe das zentralisierte Finanzsystem weiche Budgetbeschränkungen, die Reformen und Industrialisierung verhindern können.
Die Tagung der DGO-Fachgruppe Wirtschaft hat die Vielfalt der Wirtschaftsforschung zu Osteuropa gezeigt. Gemeinsamer Nenner der Vorträge ist die Rolle, die die Referenten der institutionellen Umgebung sowohl in mikroökonomischen Prozessen als auch in gesamtwirtschaftlicher Entwicklung zurechnen. Die Institutionen sind damit nicht nur für die Osteuropaforschung im Allgemeinen relevant, sondern auch in der empirischen Wirtschaftsforschung zu Osteuropa.
Bericht: Maria Polugodina
Fotos: DGO/Svystovych
Veranstaltungsbericht (PDF, 289 kB)