Crimea

Zur aktuellen Menschenrechtssituation auf der Krim

Seit inzwischen sieben Jahren ist die ukrainische Halbinsel Krim von Russland völkerrechtswidrig besetzt. Immer wieder gibt es Berichte über massive Menschenrechtsverletzungen vor Ort. Aktivisten und Andersdenkende, deren Aktionen und Meinungen sich gegen die aktuellen Machthaber richten, müssen mit langjährigen Haftstrafen rechnen. Insbesondere für das krimtatarische Volk stellt sich die aktuelle Lage dramatisch dar. Verfolgung, Unterdrückung und die Verletzung von Grund- und Gruppenrechten sind weiterhin an der Tagesordnung. Wie stellt sich die Situation der Krimtataren heute dar, welchen Repressionen sind sie ausgesetzt – und was lässt die Zukunft für die besetzte Halbinsel erwarten? Diesen und anderen Fragen wollen die Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde, die Gesellschaft für bedrohte Völker sowie die Konrad-Adenauer-Stiftung in der Ukraine gemeinsam mit dem Krimtatarischen Ressourcenzentrum in einer Online-Veranstaltung nachgehen.

Programm

Begrüßung

Tim B. PETERS
Leiter des Auslandsbüros Ukraine (Kiew), Konrad-Adenauer-Stiftung

Kurzfilm des Krimtatarischen Ressourcenzentrums

Eingangsstatement

Michael GAHLER
Mitglied des Europäischen Parlaments, Berichterstatter für die Ukraine

Einführung

Eskender BARIJEV
Vorstandsvorsitzender des Krimtatarischen Ressourcenzentrums, Abteilungsleiter für Recht und auswärtige Angelegenheiten des Medschlis des Krimtatarischen Volkes

Disskutant*innen

Emine DSCHAPAROVA
1. stv. Aussenministerin der Ukraine

Refat TSCHUBAROV
Vorsitzender des Medschlis des Krimtatarischen Volkes

Dr. Mieste HOTOPP-RIECKE
Vorstandsvorsitzender des Instituts für Caucasia-, Tatarica- und Turkestan-Studien (ICATAT)

Moderation
Dr. Gabriele FREITAG
Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde, Berlin

Kooperationspartner: Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. (GfbV) und Crimean Tatar Resource Center (CTRC)

Eine Liste der politisch verfolgten Krimtataren führt Osteuropa.

Veranstaltungsprogramm

Einladungsflyer (PDF, 141 kB)

Reader zur Veranstaltung (PDF, 492 kB)


Veranstaltungsbericht

Bericht: Erika Balzer, Gabriele Freitag

Seit inzwischen sieben Jahren ist die ukrainische Halbinsel Krim von Russland völkerrechtswidrig besetzt. Immer wieder gibt es Berichte über massive Menschenrechtsverletzungen vor Ort. Aktivist*innen und Andersdenkende, deren Aktionen und Meinungen sich gegen die aktuellen Machthaber richten, müssen mit langjährigen Haftstrafen rechnen. Insbesondere für das krimtatarische Volk stellt sich die aktuelle Lage dramatisch dar. Verfolgung, Unterdrückung und die Verletzung von Grund- und Gruppenrechten sind weiterhin an der Tagesordnung. Wie stellt sich die Situation der Krimtataren heute dar, welchen Repressionen sind sie ausgesetzt – und was lässt die Zukunft für die besetzte Halbinsel erwarten? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der Online-Veranstaltung.

In seinem Eingangsstatement verwies der Abgeordnete des Europäischen Parlaments, Michael Gahler, auf seine Bemühungen, die prekäre Situation der Menschen auf der Krim kontinuierlich auf die Tagesordnung des EU-Parlaments zu setzen. Im Vordergrund stehen Fragen der territorialen Integrität und Souveränität der Ukraine und das völkerrechtswidrige Verhalten Russlands. Gahler bezeichnete Russland als „systemischen Gegner“ der Ukraine und der EU und betonte, dass die EU die Initiative der ukrainischen Regierung zum Aufbau einer „Krim Plattform“ unterstütze. Hierbei handelt es sich um einen internationalen Zusammenschluss zu Fragen der Sicherheit und Menschenrechte auf der Krim. Die Plattform soll als Netzwerk von Expert*innen, internationalen Regierungsvertreter*innen und zivilgesellschaftlichen Organisationen dienen. Die Krim soll dadurch vor allem mehr internationale Aufmerksamkeit erhalten.

Der Vorstandsvorsitzende des Krimtatarischen Ressourcenzentrums, Eskender Barijev, machte auf die dramatische Situation der krimtatarischen Bevölkerung und die schwerwiegenden völkerrechtswidrigen Handlungen von russischer Seite aufmerksam. Barijev sprach von einem sukzessiven Bevölkerungsaustausch auf der Krim. Über 40.000 Krimtatar*innen wurden nach seinen Angaben seit 2014 von der Krim vertrieben. Im Gegenzug kamen in den letzten Jahren sehr viele Russ*innen neu auf die Krim. Darüber hinaus wird die krimtatarische Bevölkerung von den russischen Besatzern systematisch drangsaliert. Die Krimtataren stehen unter dem Generalverdacht der Spionage, des Extremismus und der Illoyalität dem russischen Staat gegenüber. Aufgrund der Covid-19-Pandemie ist die Zahl der Durchsuchungen und Gerichtsverfahren in den letzten zwölf Monaten gesunken, die Festnahmen haben sich im Gegensatz zu 2019 aber verdoppelt. Politische Gefangene sind von massiven Grundrechtseinschränkungen betroffen. Zeugen berichten von physischer Gewalt, der Verweigerung notwendiger medizinischer Versorgung sowie des Rechts auf Rede- und Versammlungsfreiheit. Viele Männer werden in die russische Armee eingezogen. Bei Verweigerung droht ihnen Verfolgung. Zudem würden Moscheen von bewaffneten Personen angegriffen; Festnahmen fänden auch in den Gebetshäusern statt. Auch der Medschlis, die krimtatarische Selbstvertretung, wurde 2016 unter dem Vorwurf des Extremismus verboten.

Die Kommunikationsmöglichkeiten der Krimtataren sind insgesamt drastisch eingeschränkt. Der Vorsitzender des Medschlis des Krimtatarischen Volkes, Refat Tschubaorv, erläuterte, dass Familienangehörige und Anwält*innen kaum mit den Inhaftierten in Kontakt treten können. Häufig brächten sie sich durch Versuche der Kontaktaufnahme selbst in Gefahr. Auch die Kommunikation über klassische Medien ist kaum noch möglich. Seit der Annexion der Krim im Jahr 2014 wurden 90% der krimtatarischen Medien eingestellt. Mieste Hottopp-Riecke, Vorstandsvorsitzender des Instituts für Caucasia-, Tatarica- und Turkestan-Studien wies darauf hin, dass auch Wissenschaftler*innen und Vertreter*innen von Nichtregierungsorganisationen aus dem Ausland kaum noch Möglichkeiten hätten, mit der Bevölkerung der Krim zu kommunizieren. Die drastischen Kontaktsperren verhinderten eine konzertierte Menschenrechtsarbeit. Dabei hätten größere NGOs nach Meinung von Hottopp-Riecke durchaus Ressourcen, um auf die Lage der Krimtatar*innen aufmerksam zu machen. Erforderlich dafür sei aber auch ein Austausch mit den Menschen vor Ort.

Die stellvertretende Außenministerin der Ukraine, Emine Dschaparova, brachte ihre Erwartungen an die Europäische Union und multilaterale Organisationen wie die OSZE deutlich zum Ausdruck. Sie wünsche sich mehr Druck auf Russland und eine konsequente Politik zur Durchsetzung der Sanktionen gegen Russland. Tschubarov verwies allerdings darauf, dass sich auch die Beziehungen des Medschlis zur ukrainischen Regierung in den vergangenen Jahren verschlechtert hätten. Diese Situation erschwere es erheblich, die Situation der krimtatarischen Bevölkerung zu verbessern. Einig waren sich alle Sprecher*innen in dem Wunsch nach einem stärkeren Netzwerk von Unterstützer*innen und Expert*innen und einer größeren Öffentlichkeit, die die Menschenrechtsverletzungen wahrnimmt und darüber berichtet.

Datum:
24.02.2021, 18:00 Uhr

Hinweis:
Die Veranstaltung findet online statt.

Sprache(n):
Deutsch und Russisch, simultan gedolmetscht

Programm:

Einladungsflyer (PDF, 141 kB)

Reader zur Veranstaltung (PDF, 492 kB)