Russian Speaking Migration to Germany and Israel

The end of the Soviet Union marked the beginning of a great emigration movement. Over a million people left the Soviet Union for Israel, over two million received German citizenship as so called Russian-German “late resettlers”, and almost 250,000 people of “Jewish nationality” received permanent right of residence in Germany.

How did the Russian speaking newcomers integrate into the German and Israeli societies? What are the impacts on the second generation of migrants? And how do they shape the political, social and cultural developments in Israel and Germany today? The discussion focuses on the different legal and social settings that immigrants were facing in both countries and the repercussions on their social and economic establishment.

Discussants:
Jannis PANAGIOTIDIS, Universität Wien

Larissa REMENNICK, Bar-Ilan University

Moderation
Gabriele FREITAG, German Association for East European Studies (DGO), Berlin

The discussion relates to the journal Osteuropa 9-11/2019 available in English and German:

"Migration, Identity, Politics. Trans-inter-national: Russia, Israel, Germany": https://www.zeitschrift-osteuropa.de/hefte/2019/9-11/english

"Migration, Identität, Politik. Trans-inter-national: Russland, Israel, Deutschland": https://www.zeitschrift-osteuropa.de/hefte/2019/9-11/

In cooperation with Stiftung Deutsch-Israelisches Zukunftsforum (dizf)

Veranstaltungsprogramm

Einladungsflyer (PDF, 259 kB)


Veranstaltungsbericht

 

Bericht: Erika Balzer

Der Zusammenbruch der Sowjetunion vor mehr als 30 Jahren führte für Millionen Menschen aus den ehemaligen sowjetischen Gebieten zur Emigration. Über eine Million verließ die Sowjetunion nach Israel, über zwei Millionen erhielten die deutsche Staatsbürgerschaft als sogenannte russisch-deutsche „Spätaussiedler“ und fast 250.000 Menschen „jüdischer Nationalität“ erhielten ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Deutschland. Die Anthropologin Larissa REMENNICK und der Historiker Jannis PANAGIOTIDIS diskutierten über die unterschiedlichen rechtlichen und sozialen Rahmenbedingungen, mit denen die Einwandererinnen und Einwanderer in beiden Ländern konfrontiert waren, sowie die Auswirkungen auf ihre soziale und wirtschaftliche Etablierung.

Ein wesentlicher Unterschied bestand im Selbstverständnis und der Selbstdarstellung beider Länder: Israel definiert sich als „Heimatland“ aller Jüdinnen und Juden weltweit und rief diese dazu auf, nach Israel zu kommen. In Deutschland gab es diese Art von Selbstverständnis nicht. Russlanddeutsche und Spätaussiedler*innen sowie postsowjetische Jüdinnen und Juden hatten zwar ein Anrecht auf ein Leben in Deutschland und auf die deutsche Staatsbürgerschaft. Jedoch warb Deutschland nicht proaktiv für den Zuzug der Menschen. Im Gegenteil wurden wirtschaftliche Anreize gesetzt und Projekte in den postsowjetischen Gebieten unterstützt, um eine größere Mobilisierung nach Deutschland zu verhindern.

Auch für die berufliche und wirtschaftliche Etablierung der Zugewanderten bestanden unterschiedliche Voraussetzungen. In Deutschland erhielten Russlanddeutsche und jüdische Zuwanderer*innen „Sozialhilfe“. Ihre Abschlüsse aus der Sowjetunion wurden aber nicht anerkannt. Dies führte dazu, dass viele Menschen mit höheren Abschlüssen nicht in ihrem eigentlichen Berufsfeld arbeiten konnten und für ihre Jobs überqualifiziert waren. Israel stieß mit rund 10 Millionen Zuwanderer*innen im Zeitraum von 1990 bis 1993 an seine wirtschaftlichen Grenzen. Die staatlichen Ressourcen waren schnell ausgeschöpft. In dieser Situation war der Staat gezwungen, die Zugewanderten schneller in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Mittlerweile machen diese Einwander*innen in Israel über ein Drittel der Bevölkerung aus und sind ein repräsentativer Teil der jüdischen Gesellschaft und der Politik. Larissa Remennick erläuterte, wie sich das Selbstverständnis vieler russischsprachiger Jüdinnen und Juden in Israel gewandelt hat: Während ihrer Zeit in der Sowjetunion durften sie ihre Religion nicht praktizieren. Dementsprechend benötigten sie Zeit, sich an das Leben in der von der jüdischen Kultur und Religion geprägten Gesellschaft zu gewöhnen. Laut Remennick definieren viele russischsprachige Jüdinnen und Juden ihre eigene Identität heute verstärkt über das Jüdischsein und die jüdische Nationalität. Trotzdem gab und gibt es viele Menschen, die das Russische dem Hebräischen bis heute vorziehen und denen es sehr wichtig ist, diesen Teil ihrer Identität auch an ihre Nachkommen weiterzugeben. Bei den nachfolgenden Generationen wächst heute außerdem die Bereitschaft, Russisch zu lernen, um die eigenen  Berufschancen zu erhöhen.

Jannis Panagiotidis stellte in seiner Forschung fest, dass der Umgang mit der russisch-deutschen bzw. postsowjetischen Identität in Deutschland anders ist als in Israel. Im Vergleich zur Zahl der bereits in Deutschland lebenden jüdischen Gemeindemitglieder kamen zehnmal mehr postsowjetische Jüdinnen und Juden nach Deutschland. Viele der Zuwander*innen integrierten sich nicht in die bereits bestehenden jüdischen Gemeinden. Zum einen lag dies an der Sprachbarriere, zum anderen  gestaltete sich die Auslebung des Glaubens anders. Im Gegensatz zu Israel wollten viele das Russische ablegen, die „Generation 1.5“ und „Generation 2.0“, also diejenigen, die als Kinder von Spätaussiedler*innen und Russlanddeutschen in Deutschland leben, identifizieren sich kaum mehr mit dem postsowjetischen Erbe oder der russischen Sprache. Das postsowjetische Merkmal ist hier viel stärker ein historisches, als ein kulturelles oder identitätsstiftendes. Gleichzeitig, so Panagiotidis, möchten Kinder postsowjetischer Jüdinnen und Juden ihre religiöse Identität heute nicht mehr verstecken und im gesellschaftlichen Leben sichtbarer sein. Während die in den 90er Jahren eingewanderten Jüdinnen und Juden aus dem postsowjetischen Raum in Israel heute einen erheblichen Teil der Bevölkerung ausmachen und mittlerweile in Gesellschaft wie auch Politik repräsentativ sind, stellen sie in Deutschland bis heute keine „kritische Masse“ der Bevölkerung dar. Entsprechend geringer ist auch ihre öffentliche Präsenz.

Datum:
26.01.2021, 18:00 Uhr bis 19:00 Uhr

Hinweis:
Die Veranstaltung findet online statt.

Sprache(n):
English

Programm:

Einladungsflyer (PDF, 259 kB)