Fachtagung

Strong Local Self-Government as a Basis of Resilient Democratic Societies?

Experience from New EU Member States and Ukraine

Local self-governance is a part of the legal genome of Europe, evidenced by the European Charter of Local Self-Government, worldwide recognized as the legal benchmark for the rights and obligations of local self-governments. Local self-governments are also the engines of democracy. The local level, where citizen involvement in discussions on issues affecting their lives occurs naturally, and where political leadership is subject to informal but highly effective control by their local peers-citizens, creates the groundwork for daily exercises in democracy, forming compromise on the bases of mutual respect. It is not by coincidence that the Nazi Germany, Communist Central Europe, and the Soviet Union, were eager to weaken and ultimately remove local self-governance. Conversely, the architects of the German Basic Law, defining the constitutional basis of post-war Western Germany, were keen to enshrine the rights of local self-governments to ensure that totalitarianism would never again prevail in Germany.

Throughout Central Europe, bottom-up movements driving the transition from societal upheaval after the collapse of the Soviet Union and the authoritarian regimes in Central Europe were keen on re-establishing local governments. Despite decades of oppression, the recovered local self-governments quickly transformed into vibrant and inclusive democracies, forming strong bulwarks against totalitarian tendencies. Recent research also suggests that strong, fiscally autonomous local governments are not only arenas for healthy, inclusive, and sustainable democracy but also crucial for fostering the best local business climate, thereby catalysing economic growth and further contributing to a country's societal stability.

The roundtable aims to discuss the role of local self-governments as important pillars of strong democracies, drawing insights from the Ukrainian, Romanian, and Polish experiences. The Ukrainian experience may be particularly useful, as decentralization and self-organization were (and are) claimed to be key elements in Ukraine's impressive resilience during the full-scale Russian invasion. The roundtable seeks to understand which elements from the experiences of Central Europe and Ukraine can be used as a blueprint for the future development of other countries toward sustainable democracies.

Panelists:

Prof. Dr. Georg Milbradt, Special Representative of the German Federal Government for Administrative Modernisation in Ukraine

Dr. Benedikt Herrmann, Joint Research Centre of the European Commission

Taras Byk, Expert on local self-governments at the Institute of Political Education

Prof. Dr. Clara Volintiru, Bucharest University of Economic Studies/Director of the Black Sea Trust of the German Marshall Fund of the United States

Dr. hab. Kazimierz Bandarzewski, Jagiellonian University in Krakow

Moderator: Prof. Dr. Burkhard Breig, Ostfalia – University of Applied Sciences

Um Anmeldung wird gebeten bis zum 9. November.


Veranstaltungsbericht

In den letzten Jahren haben mehrere Staaten Ost- und Mittelosteuropas beachtliche Reformen der örtlichen Selbstverwaltung umgesetzt, die die Schlüsselrolle der lokalen Ebene bei der Demokratisierung eines Landes in beeindruckender Weise demonstrieren. Vertreter*innen aus Politik und Verwaltung konnten dabei sowohl an „Klassikertexte“ des politischen Denkens als auch an Forschungsergebnisse aus den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften anknüpfen.

Die DGO-Fachgruppe Recht veranstaltete am 16. November 2023 unter Federführung von Burkhard BREIG ein Fachgespräch, in dem Erfahrungen aus der Praxis und Ergebnisse aus der Wissenschaft präsentiert und erörtert wurden. Insbesondere ging es dabei um Erfahrungen aus der Ukraine, Polen, Rumänien und Bulgarien. Einleitend erinnerte Breig an die lange Tradition der Diskussion über Selbstverwaltung in Deutschland und verwies darauf, dass die Idee der kommunalen Selbstverwaltung auch von Vertretern in Russland immer wieder gefordert werde.

Einleitend gab Georg MILBRADT, Sonderbeauftragter der Bundesregierung für die Verwaltungsreform in der Ukraine, einen Überblick über den Verlauf und Kernaspekte der Reform der örtlichen Selbstverwaltung in der Ukraine. Als die Reform 2014 in Angriff genommen wurde, war deutlich, dass es eine ihrer zentralen Aufgaben sein würde, eine sowjetische Mentalität zu überwinden. Das sowjetische Erbe äußerte sich u.a. in einer unklaren Aufgabenverteilung, in der das Zentrum jegliche Kompetenz an sich ziehen konnte. Gleichzeitig konnte das Zentrum die Fülle der Aufgaben nicht effektiv wahrnehmen. Milbradt ging u.a. auf den Zusammenhang von Aufgaben und Finanzierung der örtlichen Selbstverwaltung und auf die vertikale Differenzierung der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben ein. Außerdem erläuterte er Fragen der Aufsicht sowie Besonderheiten lokaler Autonomie im ukrainischen Kontext.

Benedikt HERRMANN von der Joint Research Group der Europäischen Kommission, stellte eingangs die Ergebnisse verhaltensökonomischer Experimente über den Einfluss sozialer Kontrolle auf menschliches Handeln dar. Dabei demonstrierte er die Voraussetzungen für die Bereitschaft von Individuen, zum gemeinsamen Nutzen zu kooperieren. Die Erkenntnisse der Experimente legen nahe, so Herrmann, dass örtliche Selbstverwaltung nur dann zu wirksamer örtlicher Kooperation zum gemeinsamen Nutzen der Bevölkerung führt, wenn der Staat sinnvolle Anreize setzt. So könne die Dezentralisierung eines gewichtigen Teils der Einkommensteuer dazu führen, dass die Kontrolle des zweckmäßigen Einsatzes der Mittel informell vor Ort erfolge und gleichzeitig die Steuerehrlichkeit steige. Diese Annahmen ließen sich eindrucksvoll am Beispiel der Reform der örtlichen Selbstverwaltung in der Ukraine bestätigen; dabei habe sich kein wesentlicher Unterschied zwischen der West- und der Ostukraine beobachten lassen.

Einen Einblick in die Praxis der kommunalen Selbstverwaltung in der Ukraine gab Taras BYK, Vorstandsmitglied der NGO „Agency for Recovery and Development“. Er schilderte die Aufgaben seiner Organisation, die gegenwärtig Kommunen hilft, Pläne zum Wiederaufbau zu erstellen. Anschaulich verdeutlichte er, wie unter den Gegebenheiten in der Ukraine gegenwärtig private Akteure intensiv mit der öffentlichen Hand kooperieren, um öffentliche Aufgaben wahrzunehmen. Gerade nach Beginn der russischen Invasion 2022 ist es auch der örtlichen Selbstorganisation zu verdanken, dass das Leben im Land aufrechterhalten werden kann.

Clara VOLINTIRU, Bucharest University of Economic Studies und Director of the Black Sea Trust of the German Marshall Fund of the United States berichtete von der Bedeutung der lokalen Initiativen für die nachhaltige Entwicklung auf gesamtstaatlicher Ebene. Sie stellte vergleichende Untersuchungen verschiedener Staaten Ostmitteleuropas vor, die zeigen, dass funktionierende örtliche Verwaltung, bei der Kompetenzen und Ressourcen nicht von dem Ermessen des Zentralstaats abhängen, erheblich zur Resilienz der Gesamtstaaten gegenüber autoritären Tendenzen beitragen kann. Das Beispiel Rumäniens habe auch gezeigt, dass eine starke Zivilgesellschaft das gesamte Gemeinwesen eines Landes erheblich widerstandsfähiger gegenüber Krisen und Katastrophen machen könne.

Kazimierz BANDARZEWSKI, Lehrstuhlinhaber für örtliche Selbstverwaltung an der Juristischen Fakultät der Jagiellonen-Universität in Krakau, stellte die rechtliche Regelung der örtlichen Selbstverwaltung in Polen vor, die im Großen und Ganzen gelungen sei. Die Gemeinden und Kreise verfügten über rechtliche Autonomie und eigenes Einkommen. Zu kritisieren sei die dennoch bestehende finanzielle Abhängigkeit der örtlichen Ebene von finanziellen Zuweisungen vom Staat. Der Staat sei zudem nicht verpflichtet, Aufgaben, die er an die örtlichen Ebenen delegiere, vollständig zu finanzieren. Wichtig sei ebenfalls, dass die Autonomie der örtlichen Selbstverwaltung gerichtlichen Rechtsschutz genieße und dass die staatliche Aufsicht im Wesentlichen auf eine Kontrolle der Legalität beschränkt sei.

Datum:
16.11.2023, 14:00 Uhr bis 17:00 Uhr

Ort:
Vertretung des Landes Niedersachsen in Berlin
In den Ministergärten 10
10117 Berlin

Sprache(n):
Deutsch

Veranstalterin:
Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde

Kooperationspartner:
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